Weinberg Projekt

Weinberg Projekt

Erbsenfabrik01.06.2015 - 02.06.2015, 19:30

Weinberg Projekt

Das Projekt

Die Begegnung mit den beinahe verschollenen Werken des Komponisten Mieczyslaw Weinberg stellt die Pianistin K. Wasiak vor die Herausforderung vergessenen Werken höchster Qualität neues Leben einzuhauchen. Ihre Zusammenarbeit mit dem Geiger G. Faraut führte sie zu der Überlegung, dass besonders verlassenen Orte, wie die zahlreichen Zeugen des Industriezeitalters in ihrer Heimatstadt Berlin, sich dazu eignen zum Hort einer Wiederentdeckung zu werden. Das Zusammenspiel zwischen selten aufgeführten Werken und einem Ort der eine besondere Vergangenheit in sich bewahrt, schafft neuen Sinn und lässt beide in neuem Licht erstrahlen. Das Projekt soll nun nach ersten Konzerten in Berlin nach Wien ziehen, wo K. Wasiak mehrere Jahre studierte. Zusammen mit der berühmten Pianistin Christiane Karajeva sind Konzerte mit Werken von M. Weinberg und N. Medtner geplant, die in ehrwürdigen Wiener Einrichtungen mit marodem Charme aufgeführt werden sollen.

*In Kooperation mit dem Europäischen Forum Polnischer Musik in Berlin

* Unter der Schirmherrschaft des Polnischen Botschafters in Deutschland – Herrn Jerzy Marganski

 

Konzert I

Mieczyslaw Weinberg

Klaviersonate No.3 Op.31 (Katarzyna Wasiak)

Nikolaj Medtner

Klaviersonate Erinnerung Op.38 No.1 (Christiane Karajeva)

***

Felix Mendelssohn-Bartholdy

Violinsonate f-Moll Op.4 (Guillaume Faraut, Christiane Karajeva)

Mieczyslaw Weinberg

Violinsonate No.4 Op.39 (Guillaume Faraut, Katarzyna Wasiak)

Konzert II

Szymon Laks

Klavierquintett

Mieczyslaw Weinberg

Klavierquintett Op.18

Zu den Werken 

Das Projekt entstand um Mieczyslaw Weinberg, einem bedeutenden polnisch-jüdischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Trotz seiner bemerkenswerten Begabung, der Vielfalt seiner Werke und der Unterstützung namhafter Künstler wie D. Schostakowitsch, ist Weinberg bis heute fast gänzlich unerkannt geblieben ist. Dies mag an seinem Werdegang liegen, der die dunkelsten Aspekte der europäischen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts berührt.

Weinbergs Klaviersonate in gis-Moll, die dritte von sechs Klaviersonaten, wurde vier Jahre nach der zweiten und letzten Klaviersonate seines Freundes und Mentors Dmitri Schostakowitsch komponiert. Der Einfluss Schostakowitschs als Inspirationsquelle ist in Weinbergs Werk prägend. Trotzdem bedient sich Weinberg eines weit gefächerten Repertoires. So verwendet er in der Sonate auch die spätromantische Technik des zyklischen Themas: Am Ende des dritten Satzes erscheint das Anfangsmotiv des zweiten, düster wirkenden Mouvements. Die Musik Weinbergs kann zum Teil turbulent und düster klingen, im Gegensatz zu Schostakowitschs Werken ist Trostlosigkeit aber niemals das vorherrschende Element.

Aufgrund der erweiterten Mehrstimmigkeit und schwierigeren Balance zwischen den Instrumenten stellt das Klavierquintett eine eher seltene kompositorische Gattung dar. So besticht Weinbergs Quintett Op. 18 auch durch die ungewöhnlich kunstreiche Verflechtung der doch so unterschiedlichen fünf Sätze. Schon der Anfang des Quintetts mit seinem Hauch französischer Verfremdung und der zweite Satz à la Bartok sind meisterhaft miteinander verwoben und gestalten ein einheitliches Bild. Wie so oft in den meisten Werken des Komponisten wird der brillante und wirkungsvolle letzte Satz, durchsetzt mit zahlreichen Kanons und Fugen, von einem grundsätzlichen Optimismus getragen. Es gelang Weinberg selbst in dunklen Stunden Hoffnung und Lebensfreude in seine Kompositionen einfließen zu lassen.

Die frühe Sonate von Felix Mendelssohn-Bartholdy bezaubert mit der Schlichtheit, Ehrlichkeit und Hoffnung eines jungen Menschen. Mendelssohn war vierzehn Jahre alt, als er die Sonate komponierte.

Das Klavierquintett von Szymon Laks ist eine Rarität, die noch seltener als Weinbergs Klavierquintett gespielt wird. Der polnisch-jüdische Komponist wurde 1942 nach Auschwitz deportiert und überlebte das Lager als Leiter des Lagerorchesters. Vor dem Krieg studierte er in Wien und Paris Komposition und Orchesterleitung. Laks stand stilistisch dem Neoklassizismus nahe und bezog oft polnische Elemente in seine Musik mit ein.

Die Klaviersonate von Nikolai Medtner hört man bestimmt öfters in den Konzertsälen Europas. Seine Musik wurde vom Pianisten Marc-André Hamelin propagiert und hat inzwischen internationale Anerkennung gewonnen. Die Sonate a-Moll Nr.1 op.38 „Reminiszenza“ oder „Erinnerung“ unterstreicht den Leitfaden des Weinberg-Projekts und könnte als Titelstück unseres Vorhabens verstanden werden.

Zu den Künstlern

Seit ihrem ersten Soloabend mit zehn Jahren ist Christiane Karajeva die gebürtige Wienerin als Solistin, Kammermusikerin und Pädagogin fest im internationalen Musikleben verwurzelt.
Ihre Studien absolvierte sie mit ausgezeichnetem Erfolg an der Wiener Musikhochschule und am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau. Zu ihren bedeutendsten Lehrern zählten Richard Hauser, Dieter Weber, Lev Naumov und Wilhelm Kempff. Mit siebzehn Jahren überzeugte sie als jüngste Preisträgerin beim Internationalen Beethoven-Wettbewerb. In den wichtigsten Konzertsälen Wiens trat sie vorwiegend solistisch auf, sie bereiste Mitteleuropa, Kanada, Mexiko und den Nahen Osten.

Mit dem Einstieg als Pianistin in das Beethoven Trio Wien begann für Christiane Karajeva die intensive Beschäftigung mit der Kammermusik. Das Ensemble zählte auf internationaler Ebene zu den führenden Klaviertrios und gastierte bis 1999 erfolgreich in Europa, den USA und Japan. Zahlreiche CDs wurden unter dem Label Camerata eingespielt. Neben Soloabenden und kammermusikalischen Auftritten bringen Literatur- und Tanzprojekte Abwechslung in das aktuelle Musikleben.

Christiane Karajeva unterrichtet seit dreißig Jahren an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien. Seit 2000 ist sie Professorin an der Abteilung Musikpädagogik. Der Schwerpunkt ihrer Lehrtätigkeit liegt in der Ökonomie des Klavierspielens und der Philosophie des Einfachen. Sie leitet regelmäßig Meisterkurse in Österreich, Korea und Japan und war/ist als mobile Lehrende im europäischen Erasmus-Programm tätig, u.a. in Finnland, Litauen, Portugal und Polen.

Katarzyna Wasiak wurde in Grünberg (Polen) geboren. Aus einer Musikerfamilie stammend, begann sie im Alter von sieben Jahren ihre musikalische Ausbildung in Breslau. 2002 trat sie ihr Studium an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien an, anfangs in der Klasse von Prof. Oleg Maisenberg und anschließend bei Prof. Wolfgang Watzinger. 2006 setzte sie ihr Studium an der Universität der Künste in Berlin bei Prof. Jacques Rouvier fort und legte 2009 ihr künstlerisches Diplom ab. Anschließend vervollständigte sie ihre Ausbildung mit einem Masterstudium an der Hochschule für Musik ‚Hans Eisler‘ Berlin bei Prof. Fabio Bidini. Katarzyna Wasiak ist Preisträgerin zahlreicher internationaler Klavierwettbewerbe, u.a. in Dallas (USA), Vanves (Frankreich) und Villa de Capdepera (Spanien). Während ihres Studiums war sie Stipendiatin der polnischen Kultur- und Premierministerien und der Chopin Gesellschaft. Zudem gewann sie mehrere Jahre in Folge Stipendien der Crescendum Est-Polonia Stiftung, sowie des Rotary Clubs Deutschland. Sie beteiligt sich an Aufnahmen für den Polnischen Rundfunk sowie für das Plattenlabel DUX. Die Pianistin setzt sich zum Ziel durch eine tiefgehende Auseinandersetzung mit Werken und der Lebensgeschichte ihrer Erschaffer, Musik die sie berührt neu zu beleuchten. Im Rahmen ihrer Projekte gibt sie regelmäßig Konzerte in ganz Europa sowie in Russland, Kanada und den USA und musiziert mit renommierten Orchestern wie dem Rundfunk Orchester Warschau, dem Estnischen Nationalen Symphonieorchester, der Nationalen Philharmonie der Ukraine und berühmten Künstlern wie den Dirigenten Michail Jurowski, Nikolai Diadiura, Jerzy Swoboda, Jan Krenz sowie dem Geiger Tomasz Tomaszewski, der Geigerin Agata Szymczewska und dem Flötisten Lukasz Dlugosz.

Guillaume Faraut, geboren in Strasbourg, Frankreich, erhielt seinen ersten Violinunterricht im Alter von 8 Jahren. 2005 begann er sein Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler, erhielt zunächst das Diplom und vor kurzem einen Master of Music, in den Klassen von Stefan Hempel und ab 2009, Prof. Kolja Blacher. Andere künstlerische Anregungen bekam er gelegentlich von GeigerInnen wie u.a. Albrecht Beuninger, Ernst Kovacic, Mi-Kyung Lee, Ingolf Turban, oder Sophia Jaffé. Sein Interesse für zeitgenössische Musik brachte ihn dazu mit Ensembles wie Klangkörper, Musikfabrik NRW, Ensemble Modern, Resonanz, Linea Strasbourg und KNM Berlin aufzutreten und persönlich mit Komponisten wie Johannes Staud, Helmut Lachenmann, Peter Eötvös und Enno Poppe zu arbeiten. Auch in großen Orchestern war er bereits als Aushilfe gefragt: Deutsche Oper Berlin, Münchener Kammerorchester, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin… Seit Januar 2014 ist GF festes Mitglied des Frankfurter Opernorchesters und tritt nebenbei regelmäßig solistisch und kammermusikalisch in Europa auf. Dabei trat er mit namhaften Persönlichkeiten wie Ingolf Turban, Martin Ostertag, Patrick Demenga, Claudio Bohorquez, Jonathan Aner und Björn Lehmann auf. Er spielt eine Geige Nicolas Vuillaume, gebaut ca. 1860.

Das Diverso Streichquartett wurde im März 2013 von jungen Musikern gegründet, die zu dieser Zeit Absolventen vier verschiedener europäischer Universitäten in Berlin, Posen, Breslau und Manchester waren. Diese Vielfalt an Einflüssen war auch die Inspiration für ihren Namen „Diverso“. Marcin Ostrowski, Magdalena Krawczuk und Zofia Łodygowska begannen bereits im Gymnasium in Posen kammermusikalisch zusammenzuwirken und waren Preisträger mehrerer Wettbewerbe in Polen, u.a. in Łódź und Breslau. Bald darauf vervollständigte sie die talentierte Geigerin Dagmara Foryś. Jedes Mitglied des Quartetts ist Preisträger verschiedener Solo-Musikwettbewerbe. Sie sind bereits in ganz Europa, sowie Japan, Korea, China, Indien und Russland aufgetreten und gaben ihr Debüt an der renommierten Posener Philharmonie. Dem folgte Ihre erste Reihe von Abonnementkonzerten in Polen, Deutschland, Belgien und Großbritannien. Kürzlich gewannen sie einen Sonderpreis beim Internationalen Quartettwettbewerb K. Szymanowski.

Dieser Aufstieg wurde allseits wahrgenommen und gipfelte in der Form eines Masterstudiums in der renommierten Klasse des Artemis Quartetts an der Universität der Künste in Berlin. Dieses Studium bei einem der bekanntesten Streichquartette der Welt hat dem Diverso Quartett geholfen sich weiter zu entwickeln und internationale Wertschätzung zu gewinnen. Das Diverso Streichquartett beherrscht ein breites Repertoire an Meisterwerken aller Epochen. Sie interessieren sich besonders für die Musik polnischer und deutscher Komponisten. 

Zu Mieczyslaw Weinberg

Als Nazideutschland Polen überfällt, flüchtet der 20-jährige Weinberg in die Sowjetunion. Zu Fuß macht er sich auf den Weg Richtung Osten. Auf der Flucht muss er seine zwei Jahre jüngere Schwester Ester zurücklassen. Weinberg wird sie und seine Eltern niemals wiedersehen. Erst in den sechziger Jahren erfährt er mit letzter Gewissheit, dass sie im Warschauer Getto von den Nazis ermordet wurden. Bis zuletzt begreift er sein Komponieren als Trauerarbeit: „Ich sehe es als meine moralische Pflicht, vom Krieg zu schreiben, von den Gräueln, die der Menschheit in unserem Jahrhundert wiederfuhren“.

In der Sowjetunion angekommen lässt er sich zunächst in Minsk nieder. Später wird er nach Taschkent evakuiert, wo er seine erste Symphonie schreibt. Durch seine Bekanntschaft mit dem jungen Komponisten und Schüler Schostakowitschs Juri Lewitin sollte sich sein Leben verändern. Der Freund schickt Weinbergs Symphonie an seinen Lehrer. Schostakowitsch ist von dieser Musik so begeistert, dass er für Weinberg eine Erlaubnis erwirkt nach Moskau zu ziehen. Es entwickelt sich zwischen den beiden Komponisten eine herzliche Freundschaft, voller gegenseitiger Bewunderung und Anerkennung. So setzte sich Schostakowitsch oft für die Aufführung von Weinbergs Musik ein.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschärfen sich in der Sowjetunion antisemitische Stimmungen. Weinbergs Schwiegervater, ein bekannter Schauspieler, wurde bereits 1948 von der Geheimpolizei ermordet. Zu Beginn des Jahres 1953, unter dem Vorwand er propagiere die Errichtung einer jüdischen Republik auf der Krim, wird Weinberg selbst verhaftet. Er entkommt der Exekution nur dank Stalins Tod.

Weinberg komponierte beachtlich, fast manisch viel. Er schrieb weit mehr Symphonien (26) und Streichquartette (17) als sein berühmter Freund Schostakowitsch. Alle vier Streichinstrumente wurden von ihm mit mindestens einer Sonate bedacht. Außerdem entstand noch Musik zu 43 Filmen, Ballettmusik und sieben große Opern unter seiner Feder. In den 1950er Jahren feierte er einige Erfolge. Berühmte Musiker wie Leonid Kogan, David Oistrach, Mstislaw Rostropowitsch, Emil Gilels und Rudolf Barschai spielten seine Werke. Erst 1971 erhielt Weinberg eine erste Auszeichnung und 1990 -auf Vorschlag des Komponistenverbandes- den Staatspreis. Zu dieser Situation äußerte sich der Komponist Alexander Tschaikowski:

„Es entstand der Eindruck als bestände die gesamte sowjetische Musik aus A. Schnittke, G. Gubaidulina und E. Denissow. […] Gott sei Dank haben sie ihm [Weinberg] den Staatpreis verliehen, obwohl wir natürlich wissen, dass sich damit nichts wirklich geändert hat: Wie auch vorher schon existiert Weinberg für die sowjetische Musik irgendwie gar nicht.“

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